Lindenfelser Chronik
Lindenfels, das weithin bekannte und geschätzte Burgstädtchen und ein staatlich anerkannter "Heilklimatischer Kurort" im südhessischen Odenwald, zieht jährlich viele tausende Gäste in seinen Bann. Der unmittelbar bis an die Häuser heranreichende Wald mit markierten Wegen, Schutzhütten und unzähligen Ruhebänken, die verkehrsmäßig gute Lage an der Nibelungenstraße und die Gastlichkeit der Einwohner haben dem Burgstädtchen viele Freunde gewonnen.
Die traditionsreiche Stadt hat eine historische Vergangenheit. Lindenfels mit Umgebung kam, zur Heppenheimer Markt gehörend, 733 durch die Schenkung Karls des Großen, König der Franken und erster römischer Kaiser, an das Kloster Lorsch. Urkundlich wird Lindenfels erstmals 1123 zusammen mit einem Grafen Bertolfus genannt, in dem man heute den Erbauer der Burg Lindenfels sieht. Glanzvoll waren die Namen der Burgherren, Konrad von Hohenstaufen, der Bruder des in die Sage eingegangenen Kaisers "Barbarossa", war Herr auf Lindenfels. Mit dem Erbgang an Markgraf Hermann von Baden folgte eine vorübergehende Eingliederung in badischen Besitz, bis der Wittelsbacher Pfalzgraf Ludwig II die Herrschaft 1277 zurückkaufte und damit die nahezu 600jährige Zugehörigkeit von Lindenfels zur Kurpfalz begründete.
Die Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Ludwig IV auf dem Reichstag zu Frankfurt am Dienstag vor Pfingsten 1336 bildete naturgemäß einen der wichtigsten Punkte in der Lindenfelser Geschichte. Durch Freiheiten und Vergünstigungen erlangte das Städtchen eine immer größere Bedeutung. So waren die Lindenfelser Bürger von den Frondiensten befreit und erhielten auch später die Befreiung von Bede und Schatzung. Viele Handwerker siedelten sich in dieser Zeit an.
Lindenfels war nach 1336 verwaltungsmäßig und wirtschaftlich zum Mittelpunkt der ganzen Gegend geworden. Wohl jeder Besucher der Lindenfelser Burg fragt sich, wie diese wehrhafte Anlage zerstört wurde. Die Burg mit ihrem mächtigen Außenwehr überstand alle Stürme der Kriegszeiten. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Anlage zwar mehrmals belagert und besetzt, jedoch überstand sie alle Angriffe, ohne großen Schaden zu nehmen. Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Burg bewohnt. Militärische Bedeutung hatte sie, besonders nach der Erfindung der Feuerwaffen nicht mehr. Das Interesse der kurfürstlichen Verwaltung schwand immer mehr, zumal die Unterhaltungskosten der Anlage erheblich zu Buche schlugen. So verfielen die Mauern und Türme, die Hallen und Gewölbe, und wie so manche andere Burg entging auch die Lindenfelser Festung ihrem Schicksal nicht. Sie wurde Garnison und diente zum Schluß nur noch einigen verdienten Soldaten als Kaserne.
So wurde denn auch mit behördlicher Genehmigung der mächtige Bau 1779 auf Abbruch verkauft. Jedermann durfte sich für ein paar Kreuzer einen Wagen voll Steine brechen und abfahren. Die Oberamtsherren waren mit Eifer dabei, die Demolierung der Burg voranzutreiben, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. So fiel die Burg Lindenfels, die allen Stürmen der Zeit widerstanden hatte, einem Zeitgeist zum Opfer. Der Volksmund prägte aus den Namen der letzten Amtsverwalter den zutreffenden Spruch: "Morlock, Mack und Ferber - Burg Lindenfels Verderber".
Bei der Aufteilung der kurpfälzischen Lande 1802 fiel Lindenfels dem Landgrafen Ludwig X von Hessen und späteren Großherzog zu und kam damit zu dem neugebildeten "Großherzogtum Hessen und bei Rhein". Dem weiteren Abbruch der Burg wurde damit vorerst Einhalt geboten. Von dem einstigen Wohlstand der Kurpfalz war nichts mehr geblieben, der Lebensstandard war durch die Revolutionsjahre gesunken. Vielerlei wurde zur Belebung der Wirtschaft und des Handels versucht. Erinnert sei hier an die Anpflanzung von Maulbeerbäumen, um die Seidenraupenzucht zu fördern. War dies auch ein Fehlschlag, so hatte man aber mit der Einführung des Hopfenbaues einen unbestreitbaren Erfolg. Eine Großtat war die Erbauung der Staatsstraße 1840 von Worms nach Bensheim und weiter durch das Lautertal über Lindenfels nach Michelstadt. Sie erhielt den an Sage und Geschichte erinnernden Namen "Nibelungenstraße". Sehr vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung wirkte sich die um 1880 begründete Hartsteinindustrie aus. Bereits vor der Jahrhundertwende erkannte man in Lindenfels die günstige Lage und das Klima und damit seine Bedeutung für Reise- und Fremdenverkehr.
Es begann eine rege Bautätigkeit; den Gasthäusern folgten die ersten Hotelbauten. So entwickelte sich Lindenfels bald zu einem beliebten Kurort. In den Jahren 1971 und 1972 schlossen sich im Zuge der Neugliederung der Hessischen Gemeinden die Nachbarorte Eulsbach, Glattbach, Kolmbach, Seidenbuch, Schlierbach, Winkel und Winterkasten dem Burgstädtchen Lindenfels an und bildeten nun zusammen ein Gemeindewesen von ca. 5.500 Einwohnern.
Der Kur- und Erholungsverkehr Lindenfels erfuhr durch diese Gemeindezusammenschlüsse eine erfreuliche Ausweitung. Heute stehen für Dauergäste und Passanten über 800 Betten in Hotels, Gaststätten und Pensionen bereit. Im Kurgarten, dem Burgberg angelehnt, finden die Veranstaltungen statt.
Das Haus des Gastes im Kurgarten, das Kurmittelhaus und die Spielanlagen ergänzen das touristische Angebot. Im waldigen Wiesengrund und zwischen Lindenfels und dem Schlierbacher Tal erfreut die Besucher das beheizte Schwimmbad und die großzügigen Sportanlagen. Gern aufgesucht wird die Burg Lindenfels und das weithin bekannte Lindenfelser Museum.